Zum 50. Jahrestag der Ermordung von Ghassan Kanafani

Der 8. Juli 2022 war der 50. Todestag von Ghassan Kanafani, einem Schriftsteller und Politiker, der bis heute Autor:innen und linke Aktive inspiriert, und auch bei jungen Leuten sehr beliebt ist. Kanfani wurde mit einer Auto­bombe ermordet, die mit großer Sicherheit der Mossad legte, mit ihm seine 17-jährige Nichte. Kanafani greift in seiner Literatur die Situation der Palästinenser:­innen nach der Nakba im Jahr 1948 und deren Auseinandersetzung damit auf. Seine Werke sind in vielen Sprachen, u. a. auf Deutsch erschienen (Lenos Presse). Wir haben 2 Artikel übersetzt, über Kanafanis Werk und eine Besprechung von „On Zionist Literature“, das in englischer Übersetzung aus dem Arabischen am 8. Juli veröffentlicht wurde.

Der Eiskremhersteller Ben & Jerry’s nimmt seine Prinzipien in Sachen Völkerrecht auch dann ernst, wenn die pro-israelische Lobby mächtig Druck ausübt und der Mutterkonzern Unilever einknickt. Ben & Jerry‘s verklagt die Mutter­gesellschaft Unilever, um den Verkauf seiner Marke und seiner Rechte im Staat Israel an ein israelisches Unternehmen zu verhindern, das seine Produkte in Siedlungen in der besetzten Westbank verkauft.
Außerdem beantragt der Eiskremhersteller bei einem US-Bundesgericht in New York eine einstweilige Verfügung, um die Übertragung von Ben & Jerry‘s-Vermögenswerten an das israelische Unternehmen AQP und dessen Eigen­tümer Avi Zinger zu verhindern.

Ein Dokument der zionistischen Siedlungs­organisation, das jetzt ans Licht kam, belegt, dass Israel in der besetzten Westbank „militärische Schießzonen“ eingerichtet hat, um Land an Siedlungen zu übertragen. Laut dem Protokoll des Jahres 1979 eines „streng geheim­en“ Treffens der World Zionist Organization’s Settlement Divison, erklärte der damalige Land­wirtschaftsminister Sharon, dass er in der ge­samten Westbank Schießzonen nur dafür einge­richtet habe, das Land letztendlich israelischen Siedler:innen zu überlassen. Die Schießzonen liefern für die israelische Regierung die Begründ­ung, wie z. B. jetzt in Masafer Yatta bei Hebron, Tausende Palästinenser:innen zu vertreiben.

Acht Monate, nachdem das israelische Militär die palästinensische Menschen­rechts­organisa­tion Al-Haq zusammen mit fünf anderen paläs­tinensischen Gruppen zur „Terroror­ganisation“ erklärt hatte, wurde sie mit einem renommier­ten europäischen Preis, dem Bruno Kreisky-Preis, ausgezeichnet, und die Europäische Kommission teilte mit, dass die Aussetzung ihrer Finanzierung „bedingungslos und mit sofortiger Wirkung“ aufgehoben werde. David Kattenburg hat die Organisationen befragt und berichtet, welchen Schwierigkeiten sie angesichts der israelischen Repression begegnen.

Ein wichtiger Erfolg: Anfang dieses Monats, am 12. Juli 2022, haben neun EU-Regierungen die israelische Einstufung von sechs hoch angeseh­enen palästinensischen Menschenrechts­gruppen als „terroristische Organisationen“ durch den Staat Israel endlich als Unsinn bezeich­net. Doch die EU-Politik agiert pro-israelisch, wobei gleich­gültig ist, ob die Politiker:innen dabei gegen die Prinzipien der Union verstoßen. So tagt der Assoziationsrat EU-Israel nach längerer Unter­brechung wieder, obwohl die EU erst vor kurzem die weitere Expansion im israelis­chen Siedlungsbau kritisiert hat. Ali Abunimah zeigt, wie sich die pro-israelische Position im EU-Apparat durchsetzt.

Die EU kauft Gas vom Staat Israel, um die drohende Knappheit nach dem Beginn des Ukraine-Krieges auszugleichen. Doch die Gas- und Ölfelder im Mittelmeer sind hart umkämpft, was sich etwa bei der Festlegung der Seegrenze zwischen dem Staat Israel und dem Libanon ablesen lässt. In der gespannten Situation kann sich der Staat Israel auf die Unterstützung der USA und anderer westlicher Länder verlassen, die die forschen israelischen Zugriffe auf den Rohstoff decken. Die Situation ist durchaus brandgefährlich.

Die israelisch-saudische Normalisierung ist der Kern einer neuen regionalen Ordnung, die von „Frieden“ spricht und Menschen wie Kashoggi und Abu Akleh opfert. Um den Besuch von US-Präsident Joe Biden in Israel und Saudi-Arabien wurde viel Aufhebens gemacht, insbesondere um die Kehrtwende seiner Regierung, die vier Jahre nach der aufsehenerregenden Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul wieder mit dem Königreich zusammenarbeitet. Iyad el-Baghdadi analyiert die Rückzugspolitik der USA aus der Region und den Versuch der „Schlüssel“-Übergabe an Staaten, die massiv Menschenrechte verletzen.

In den vergangenen Monaten kam es zu einer unerwarteten Veränderung im Verhalten des American Israel Public Affairs Committee (Aipac). Am 17. Dezember 2021 nahm diese Organisati­on, die israelische Interessen in den USA vertritt, offiziell den Kampf um die Parlamentswahlen am 8. November 2022 auf und kündigte die Gründ­ung eines sehr großen Political Action Committee (PAC) an. Das Umfeld der Pro-Israel-Lobbyisten hat sich verändert und die Israel-Freund:innen finden sich vor allem weit rechts. Aipac unter­stützt mit der massiven Kampagne daher jetzt gezielt vor allem knallharte Trumpist:innen und eine rassistische weiße Rechte.

Zum 60. Jahrestag der Unabhängigkeit Algeriens am 5. Juli 2022 hat Joseph Massad sich mit einem Stück Geschichte der französischen und anderen Siedlerkolonien auseinandergesetzt. Die Leser:­innen erfahren im Artikel unter anderem einiges Neue über die enge Zusammenarbeit des Staates Israel mit Frankreich, die in den 50er Jahren die Privilegien der französischen und israelischen Siedler:innen gegen die einheimischen Algerier:­innen und Palästinenser:innen versuchten, aufrecht zu erhalten.

„Das palästinensische Narrativ ruft Erfahrungen aus Südafrikas eigener Geschichte der „Rassen“-Trennung und Unterdrückung wach“, sagte Naledi Pandor, Südafrikas Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammen-arbeit, auf dem zweiten Treffen der Leiter:innen der palästinensischen Mission in Afrika in der Hauptstadt Pretoria.
„Als unterdrückte Südafrikaner haben wir die Auswirkungen von rassistischer Ungleichheit, Diskriminierung und Verleugnung aus erster Hand erfahren, und wir können nicht tatenlos zusehen, wie eine weitere Generation von Palästinensern zurückgelassen wird“, betonte sie.

„Mehr als zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit mein Vater zum ersten Mal aus seiner Heimstätte fortgejagd wurde. Jetzt, als der Oberste Gerichtshof seiner zweiten Vertreibung zugestimmt hat, redete ich mit ihm darüber, wie die Entscheidung in unsere Familiengeschichte vom Widerstand passt.
Als Palästinenser, der in Masafer Yatta lebt, habe ich mein ganzes Leben lang in einem Gebiet verbracht, das die israelische Armee zur „Feuerzone“ deklariert hat. Als ich ein kleines Kind war, wurde jeder einzelne Bewohner unseres Dorfes Tuba mit Gewalt aus seinem Heim verjagt. Wir wurden auf Lastkraft-wagen verladen, und wir haben alles verloren…..“

Der Staat Israel pflegt ein enges Verhältnis zu Vertreter:innen der EU-Elite. Möglicherweise liege es daran, dass Verträge und Vereinbarung­en mit Inhalten, die den EU-Prinzipien entgegen­stehen, oft unbemerkt bleiben, meint David Cronin. Der EU-Experte Cronin hat jetzt die Gele­genheit bekommen, ein EU-Projekt genauer anzusehen, an dem ausgerechnet das Unter­nehmen von Tamir Pardo, dem ehemaligen Leiter des israelischen Spionagedienstes Mossad, eng beteiligt war. Das 9,5-Millionen-Dollar Pro­jekt mit dem Namen Impetus ist auf den Einsatz von Überwachungstechnologie in Städten ausgerichtet.

Der UN-Jahresbericht über Kinder und bewaff­nete Konflikte ist erschienen. „Israel sollte auf eine schwarze Liste der Vereinten Nationen gesetzt werden, wenn sich die Gewalt gegen palästinensische Kinder in diesem Jahr wieder­holt, sagte UN-Chef Antonio Guterres dazu. .„Ich bin schockiert über die Anzahl der Kinder, die von den israelischen Streitkräften während der Feind­seligkeiten, bei Luftangriffen auf dicht besiedelte Gebiete und durch den Einsatz von scharfer Mun­ition bei Einsätzen getötet und verstümmelt wurden“, so der UN-Generalsek­retär in dem Bericht. 2021 wurden 78 palästi­nensische Kinder getötet und weitere 982 verstümmelt.

Das Arbeitsgericht Bonn hat entschieden, dass die Deutsche Welle eine palästinensische Journalistin mit falschen Anschuldigungen des Antisemitismus unrechtmäßig gekündigt hat. Maram Salem gehörte zu einer Gruppe arab­ischer Journalist:innen, die vom staatlichen Rundfunk entlassen wurden, nachdem sie in einer offiziellen Verleumdungskampagne wegen ihrer kritischen Äußerungen zum Staat Israel der antijüdischen Hetze beschuldigt wurden. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Die Anschuldigungen der Prüfer:innen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Ahmed Mansour gegen die Journalistin wurden zurückgewiesen.

Eines Nachmittags vor einigen Jahren, als der Dichter Mosab Abu Toha sich an seinen Schreib­tisch setzte, um zu schreiben, hörte er einen seiner kleinen Söhne aufschreien. Komm und schau“, sagte Yazan, „Da draußen fliegt eine Rakete!“ Mosab ging hinaus, um nachzuschauen, aber als er zum Himmel aufschaute, war es nur eine Wolke. Er beruhigte seinen Sohn, dass da keine Rakete war. „Wolken werden von den Kindern nie mit Raketen verwechselt, außer hier“, sagte Mosab während eines Interviews in seiner Wohnung in der Stadt Beit Lahiya im nörd­lichen Gazastreifen. Als er sich an diesen Moment erinnerte, sagte er, dass diese Art von Situationen es sei, die ihn motiviere, am Schreib­en zu bleiben.